Survival Kit @ Home: Unser Obmann im Expert*inneninterview

Unser Obmann Mag. Jürgen E. Holzinger wurde für das Forschungs-Projekt „Survival Kit @ Home“ des Österreichischen Ökologie-Instituts in einem Experten-Interview befragt.

Das Projekt beschäftigt sich mit ziviler Krisenvorsorge, Krisenmanagement und Selbstschutz, besonders im Hinblick auf auf vulnerable Gruppen wie chronisch kranke Menschen.  

Das Interview führte Frau Constanze Geyer, MA von den Johannitern Österreich.
Das Transkript des gesamten Interviews könnt ihr im folgendem nachlesen:

 

Holzinger: Gibt schon ein paar solcher Projekte in diesem Bereich, habe ich mitbekommen.

Durchaus, und es sind auch entsprechende Lücken an den Tag getreten. Schwerpunktsetzung des Interviews auf Covid. Bitte um Vorstellung:

Holzinger: Mein Name ist Jürgen Holzinger, ich bin der Obmann vom Verein ChronischKrank Österreich. Wir sind eine ehrenamtliche Interessensvertretung für chronisch kranke Menschen in Österreich. Wir vertreten derzeit rund 15.000 Menschen mit Vollmachten vor Behörden. Also die Hauptaufgabe ist eigentlich die Interessensvertretung, das heißt eben rechtliche Dinge. Wir klagen zum Beispiel mit Rechtanwälten im Bereich der Pflegegeldverfahren, Pflegeklagen, Berufsunfähigkeit, aber auch Krankenkassen, also die ÖGK, alles was Leistungen rund um die ÖGK betrifft, was Medikamentenablehnungen, Therapieablehnungen, da machen wir sehr vieles. Also letztes Jahr haben wir rund 2.000 Klagen eingebracht, also insgesamt alles zusammen. Das ist unser Hauptaufgabenbereich, das Übergeordnete ist sozusagen das, dass wir in verschiedenen Ministerien beratend tätig sind, im Arbeitsministerium,
Gesundheitsministerium und Bundeskanzleramt und unsere Praxiserfahrung einbringen, die wir täglich sammeln in den Beratungen und die Medienarbeit. Ich mache sehr viel mit dem ORF bzw. habe eine eigene Kronenzeitung-Kolumne, wo wir halt immer wieder Missstände aufzeigen und versuchen, Veränderungen dadurch zu bewirken.

Wie hat sich der Arbeitsalltag im Verein für Sie bzw. für die Organisation geändert seit Covid?

Holzinger: Am meisten merken wir es von den Beratungen her, weil wir derzeit keine persönlichen Beratungen durchführen. Normalerweise machen wir das auf verschiedensten Universitäten in Österreich die persönlichen Beratungstage und bei uns in der Zentrale in Enns. Das fällt jetzt komplett flach. Wir machen alles über Telefon, Zoom oder Emails jetzt
nur mehr. Das hat sich wesentlich geändert. Das Andere ist natürlich die Arbeit selbst, wir haben natürlich auch massive Schutzmaßnahmen treffen müssen, weil bei uns halt auch sehr viele chronisch Kranke mitarbeiten, ehrenamtlich. Das heißt auch, gehören auch zur Risikogruppe, so wie ich selbst auch. Bin auch dreimal nierentransplantiert und nehme Immunsuppressionsmedikamente. Da gehörst du auch zur Hochrisikogruppe bei Covid. Insofern hat sie sich massiv verändert, die Arbeit, weil halt das Persönliche und die sozialen Kontakte so wie bei vielen oder bei den meisten abgenommen haben und stark reduziert sind momentan. Und natürlich von den Themen hat es sich jetzt auch. Sind jetzt natürlich diese ganzen COVID-Themen, die sind jetzt dazugekommen, sprich die Freistellung der Hochrisikogruppe von der Arbeit, das war ein wesentliches Thema. Dann auch Kassenleistungen zum Beispiel. Jetzt beim ersten Lockdown war es vielleicht noch etwa schwieriger, wo viele Leistungen niedergefahren wurden von den Kliniken und Ambulanzen und so weiter. Da haben wir sehr viele Anfragen dazu gehabt. Also das waren so die wesentlichen Punkte, die sich so bei uns ergeben haben in der COVID-Zeit.

Also eine Verlagerung ins Digitale einerseits

Holzinger: Genau

Und andererseits auch natürlich den Maßnahmen entsprechend bürokratisch zu regeln.
Wie sieht es aus in Bezug auf die Frequenz aus: Haben sich Menschen mehr gemeldet? Oder wer hat sich gemeldet? Hat es eine Beobachtung gegeben, dass sich da eine Verlagerung vollzogen hat?

Holzinger: Ja, es hat schon, die Telefonanrufe, die haben massiv zugenommen. Also wir haben an Spitzentagen haben wir rund 300 Anfragen gehabt im Lockdown und auch jetzt merken wir es, dass die Kurve im 2. Lockdown wieder nach oben geht. Das ist halt, sehr viel hängt das damit zu tun, dass das Menschen sind, die chronisch krank natürlich sind und im Arbeitsprozess stehen. Und da gibt es noch immer viel Verunsicherung: Muss ich jetzt meine Arbeit so weiter ausüben, wie ich es quasi vor Covid gemacht habe bzw. bekomme ich jetzt wieder eine Freistellung? Also alle Fragen rund um die Freistellung, um das sichere Arbeiten. Das waren sozusagen die häufigsten Anfragen, das merken wir halt jetzt auch schon wieder, dass das wieder anfängt diese Unsicherheit jetzt wieder im Lockdown, dass sich die Leute eben fragen, wie kann ich mich schützen. Und auch diese Reibereien zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer merken wir halt auch, weil natürlich Arbeitgeber will seine Arbeitnehmer im Betrieb haben und da gibt es die verschiedensten Problematiken, wobei wir festgestellt haben, nach den Zahlen der ÖGK, dass die meisten Menschen eh arbeiten. Also es sind die meisten, es sind nur ein paar Tausend, die freigestellt, wirklich freigestellt, also arbeiten nicht, weil sie eben keinen sicheren Arbeitsplatz haben. Aber die Masse arbeitet eh, nur halt vom Homeoffice oder in einem Extraraum oder halt spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Aber da gibt es natürlich doch einige Probleme und das sind so die Anfragen, die wir dann kriegen von chronisch kranken Menschen, die im Arbeitsprozess stehen.

Und in Bezug auf die Form der chronischen Erkrankung, hat man da irgendwie sozusagen gemerkt, dass es Unterschiede gibt?

Holzinger: Naja, eigentlich nicht. Am Anfang war immer die Frage: Bin ich, gehöre ich zur Risikogruppe mit meiner Erkrankung, viele waren sich da nicht sicher. Es hat eine Zeit gedauert, bis das Gesundheitsministerium auch entsprechende Verordnungen gehabt hat, wo genau angeführt ist, wer ist jetzt eigentlich Hochrisiko und wer nicht. Bis das die Ärzte auch gehabt haben die behandelnden. Also das war schon ein Riesenthema. Und natürlich der zweite Punkt ist die Psyche. Das merken wir massiv schon auch, dass wesentlich mehr Anfragen im Bereich der Psyche sind, also wo Menschen Hilfe brauchen, Therapie brauchen im psychischen Bereich. Da merken wir schon einen Zusammenhang mit Covid mit diesen Social Distancing auch, dass viele sagen: Ja, ich bin halt alleine und das setzt mir noch zusätzlich zu.

Einsamkeit?

Holzinger: Ja oder bestehende psychische Erkrankungen, die sich halt aufgrund von Covid verschlimmern, verschlechtern oder eben anders auftreten. Das war schon vor Covid war die Psyche ein Riesenthema auch bei der Berufsunfähigkeit, dass die Masse wegen psychischer Probleme nicht mehr arbeitsfähig ist, die für eine Pension ansuchen und das merkt man jetzt bei Covid verstärkt sich das Ganze auch im psychischen Bereich.

Und wenn wir jetzt noch kurz auf die Krisenvorsorge des Vereins zu sprechen kommen:
Hat sich durch Covid auch etwas in der allgemeinen Notfallplanung Ihres Vereins geändert? Hat es da irgendwie soetwas gegeben, wie neue Maßnahmen, vorzusorgen?

Holzinger: Naja, wir haben versucht natürlich oder versuchen immer noch, vieles im Homeoffice zu machen. Das hat sich geändert gegenüber vorher. Wir tun uns ein bisschen schwer, weil sehr viele, die bei uns anrufen, also die Anfragen, die per E-Mail und per Telefon kommen das von Zuhause aus alles zu erledigen ist ein bisschen schwierig, weil es oft das Team braucht, um die Informationen auszutauschen und die Kommunikation zu den Ministerien. Jetzt haben wir da so eine Sondergenehmigung vom Gesundheitsministerium, dass wir halt trotzdem den Betrieb aufrecht erhalten können, also arbeiten können hier im Team unter Schutzmaßnahmen, aber nicht halt so viel von Zuhause, weil einfach die Kommunikation intern aufwändig ist, dass man da die richtigen Auskünfte da nach außen gibt, dass das oft nicht möglich ist, dass das alles so getrennt, jeder einzelne arbeitet von Zuhause für sich selbst ein bisschen schwierig ist. Und deswegen haben wir da eigentlich, versuchen wir das hier in den Räumlichkeiten so zu gestalten, dass der Abstand da ist, dass man sich nicht zu viel über den Weg läuft und dass man halt mit Mundschutz und so weiter Hygienemaßnahmen, halt trotzdem da in der Zentrale arbeiten kann.

Dass das Team gemeinsam bleibt

Holzinger: Genau, dass das Team intern, dass sich das austauschen kann, das ist ganz wichtig, eben weil es oft um sehr komplexe Dinge geht, wo man dann erst wieder Kontakt ins Kabinett, ins Ministerium, und so weiter, von Zuhause der einzelne Mitarbeiter tut sich da einfach schwer.

Und wenn Sie an andere Krisensituationen denken und eben die Maßnahmen für Covid:
Kann man da etwas mitnehmen, beispielsweise für einen Strahlenunfall oder ein Blackout, also wenn jetzt komplett kein Strom mehr da wäre für längere Zeit, ist da irgendetwas Brauchbares dabei gewesen, das man umlegen könnte im Allgemeinen?

Holzinger: Also ich glaube, wenn der Strom komplett weg wäre, dann würden wir in der Steinzeit sein. Also ich glaube, da haben wir nicht wirklich irgendwie Lösungen jetzt dazubekommen. Es hat sich halt die Digitalisierung vorangetrieben, aber wenn grundlegende Dinge, wie Strom fehlen würde, dann würde sozusagen nichts funktionieren. Also ich glaube nicht, dass sich da durch Covid irgendetwas Neues ergeben hat oder dass man da neu gerüstet ist für so ein Problem. Also es ist eher mehr, dass man digitalisiert ist, dass das vorangetrieben wurde durch die Krise, dass man sich leichter tut, dass man technisch aufgerüstet hat. Aber wenn grundlegende Dinge fehlen, wie Strom, dann glaube ich, haben wir vor der Krise dasselbe Problem gehabt, vor Covid, wie jetzt nach Covid oder während Covid.

Also man kann wenig mitnehmen, weil sehr viel stromabhängig ist.

Holzinger: Ja, also es würde kein Telefon funktionieren, kein Internet, kein Bildschirm, nichts. Also wir könnten schwer Kontakt aufnehmen mit den Menschen. Das wäre schlimm. Da würde sowieso, glaube ich, das System zusammenbrechen, wenn das der Fall ist.

Das ist leider ziemlich wahrscheinlich, weil viele umgestellt haben. Wie wir im Moment, ein persönliches Interview, ist Zoom noch besser, als zu telefonieren, weil es dem noch eher ähnlich kommt. Aber bedeutet das, gibt es von ihrem Verein aus für ein Black Out jetzt bspw. irgendwelche Maßnahmen oder eine Vorsorge? Ist das irgendwo in einer Notfallplanung enthalten?

Holzinger: Nein, eigentlich nicht. Also ein richtiges Black Out, wo Strom weg ist, gibt es eigentlich keine Maßnahme, die da geplant wäre, weil wir eben dann nicht mehr arbeiten könnten. Also da wüsste ich jetzt ad hoc keine Lösung nicht.

Also wir müssten dann natürlich vom Homeoffice arbeiten, das würde halt schwerer sein, weil eben die Teamfähigkeit nicht da wäre, aber es würde notfalls natürlich gehen, vielleicht nicht so reibungslos, wie es jetzt funktioniert, aber dann würde uns eh nichts Anderes übrig bleiben, als von Zuhause aus zu arbeiten.

Also umstellen. Wäre das dann ähnlich dem Covid-Szenario jetzt?

Holzinger: Ja, das wäre ähnlich. Wir könnten von Zuhause aus zugreifen auf die Daten zumindest auf die Grunddaten, das wäre möglich. Aber es wäre halt wesentlich schwieriger, weil eben dieser Teamaustausch dann natürlich über Telefon gehen müsste oder über Zoom gehen müsste, das wäre aufwändig, aufwändiger, als es jetzt ist.

Also intensiver, um Kontakt aufrecht zu erhalten.

Holzinger: Ja, und die Fragen abzuarbeiten und so weiter. Weil das betrifft Juristen, aber auch Sozialarbeiter, betrifft aber auch Mediziner oder Psychologen. Im Team tut man sich da leichter, als wenn man jeden anrufen müsste und es mit demjenigen einzeln abklären müsste. Das wäre schwieriger.

Genau, weil man ja so einfach persönlich hingehen kann. Das heißt, in diesem interdisziplinären Team gibt es diesen Austausch. Sie haben also schon gesagt, dass sie den telefonischen Kontakt intensiviert haben, also auch auf Zoom umgestellt haben, als Anpassung für ihre Klient*innen, bzw. die nachfragende Zielgruppe. Gibt es noch etwas, auch in Bezug auf Informationen, wo sie Änderungen vorgenommen haben, bzw. was an Kommunikation hat gut funktioniert?

Holzinger: Also die Informationen, die wir per Email – ich würde sagen von unseren Mitgliedern hat immer noch ca. ein Fünftel keine Email-Adresse – da werden die Informationen dann postalisch zugestellt. Das hat sich schon auch ein bisschen intensiviert, weil natürlich auch die Informationen sehr geballt sind und fast jeden Tag gibt es irgendetwas neues,
wichtiges, wie es jetzt eben auch in Lockdown-Zeiten und vor dem Lockdown ist. Dass man den Mitgliedern sozusagen die Informationen zur Verfügung stellen soll oder muss und deshalb hat sich das Aussenden von Emails und Briefen fast verdoppelt, aber das ist momentan einfach notwendig.

Okay, d.h. es ist notwendig, bedeutet aber natürlich auch mehr Workload.

Holzinger: Ja, auf alle Fälle.

Wie kommt Ihr Team damit zurecht?

Holzinger: Gott sei Dank hat uns das Gesundheitsministerium ein wenig aufgestockt, von der Förderung. Deshalb konnten wir mehr Stunden machen. Sonst wäre es nicht gegangen und wir hätten diese Anfragen gar nicht bewältigen können; diese Masse die so geballt kommt, wäre nicht möglich gewesen. Und wie Sie auch sagen, der Workload, dieses ganze Vorbereiten, Zusammenstellen und Aufbereiten, das ist ja auch eine massive Arbeit nebenbei sozusagen, denn diese Antragstellungen und diese Beschwerden die wir schreiben, die Rechtsmittel, das gibt es ja alles trotzdem noch, auch wenn es in manchen Bereichen ein bisschen weniger ist, dadurch dass viele Gerichte auch nicht gearbeitet haben, aber es ist trotzdem noch da. Und dazu gekommen ist nun diese ganze Informationsflut, die man bewältigen muss, und weiter abwickeln und aufbereiten muss und deshalb hat sich das ganze von der Arbeit her intensiviert. Aber ohne Fördermittel wäre es nicht möglich gewesen. Diese Stunden, diesen Aufwand, hätten wir nicht leisten können.

Wie schnell ist Ihnen das ermöglicht worden?

Holzinger: Wir stehen in einem ziemlich engen Austausch mit dem Gesundheits- und Arbeitsministerium und auch mit dem Bundeskanzleramt, deshalb hat sich das nicht so lange hingezogen, sondern die haben durch unsere fast tägliche Kommunikation miteinander gewusst, dass wir das brauchen und haben da relativ rasch reagiert.
Nur natürlich, das Fördermittel an sich bekommt man immer erst später. Aber es ist zumindest in Aussicht gestellt, dass es das geben wird und da kann man dann schon einmal einteilen und planen. Da kann man sich nicht beschweren, es hat ganz gut funktioniert. Man hat eingesehen, dass das jetzt so ist und hat auch vom Ministerium her relativ rasch reagiert.

Wenn wir dann zur privaten Krisenvorsorge kommen – Wie unterstützt ihr Verein die Prävention der einzelnen Nachfragenden? Es ist ja natürlich klar, dass bei einer chronischen Erkrankung die Vorsorge immer eine Rolle spielen dürfte. Wie ist es z.B. in Bezug auf Corona, das ja doch weiterhin ein Teil unserer Gesellschaft ist, oder falls es eventuell einmal ein Blackout oder einen Strahlenunfall gibt. Wie kann man sich darauf vorbereiten und da unterstützen?

Holzinger: Also was wir machen ist, dass wir diese Erfahrung die wir jetzt während des Prozesses machen dokumentieren, alles was uns wichtig erscheint, alles was wir auch in Zukunft ändern möchten und das sammeln. Das werden wir dann den Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen und versuchen das dort einzufordern. Weil, wenn die nicht wissen was geändert gehört oder was wir brauchen, dann werden sie es auch nicht machen. Das ist einmal die Absicherung des Regelbetriebes, das wollen wir sicherstellen indem wir diese Erfahrungen den Entscheidungsträgern weitergeben und das andere sind die Betroffenen selbst, die wir was versuchen durch diese Informationen versuchen möglichst zeitnah zu informieren und vorzubereiten und diesen chronisch kranken Menschen und deren Angehörigen die richtigen Informationen zur Verfügung stellen, es wird ja sehr viel erzählt, damit diese dann auch wissen womit sie rechnen können, was die nächsten Schritte sind und worauf sie sich vorbereiten müssen, für die nächste Zeit. Das versuchen wir und deshalb machen wir auch viele Telefontermine mit den Leuten, weil es ja auch oft nicht ausreicht, wenn man nur einen Brief oder eine E-mail schickt, sondern man muss da auch viel erklären und übers Telefon vermitteln. Also ich glaube wir bereiten die Leute dann durch das ganz gut vor und man hat es jetzt schon gemerkt, beim zweiten Lockdown waren nicht so viele Anfragen wie beim ersten Lockdown, weil viele schon gewusst haben: Okay, ich muss dieses ärztliche Freistellungs-Attest haben, ich muss schauen, dass ich meine Medikamente dementsprechend früh vorbestelle, dass es da keine Probleme gibt und die Apotheke das geliefert und vorrätig hat. Also das was wir beim ersten Mal gesehen haben, ist jetzt beim zweiten Mal einfach lockerer.

Okay, d.h. man hat schon gelernt?

Holzinger: Ja, auch bei den Operationen haben wir viele Fälle gehabt, da haben die Menschen schon so lange auf Operationen und Therapien gewartet und das wurde immer wieder verschoben, weil die Krankenhäuser extrem zurückgefahren haben. Das hat sich jetzt auch schon ein bisschen entspannt, weil die Krankenhäuser jetzt nicht mehr so zurückfahren, wie es war, dass die Ambulanzen schließen usw. Sie versuchen den Regelbetrieb aufrecht zu erhalten und trotzdem so viel wie möglich abzuarbeiten. Das hat man auch gelernt, dass es nicht so sein kann, dass man einfach alle Ambulanzen runterfährt. Weil chronisch kranke Menschen brauchen ständig eine Unterstützung, Untersuchungen und Behandlungen und die Folgeschäden wären schlimm, wenn man das einfach abstellt und sagt „Komm in zwei Monaten wieder“. Und da hat man auch vieles gelernt, weil da gab es viele Probleme.

Und was sind da Ihre konkreten Empfehlungen, insofern dass man auch sicher versorgt wird?

Holzinger: In erster Linie ist es mal wichtig, wenn es z.B. um Therapien oder Operationen geht, die dem behandelnden Arzt wichtig sind, also die nicht verschoben werden sollen, dann muss der das in seiner Indikation ausreichend dokumentieren, also direkt an der Zuweisung, am Rezept oder sonstiges, sodass die Klinik dann auch weiß, dass das wirklich wichtig ist. Da hat es oft ein Kommunikationsproblem gegeben. Die Klinik oder Ambulanz hat dann gedacht, dass das nicht so wichtig ist, weil der behandelnde Arzt das vielleicht nicht so kommuniziert hat, dass das jetzt wirklich ist und nicht verschoben werden sollte. Da weisen wir darauf hin, dass Rezepte, Zuweisungen zu Operationen oder Therapien immer gut kommuniziert werden, sodass auch die Ambulanz weiß, dass das sein muss. Es gibt aber auch immer wieder Fälle wo das trotzdem nicht funktioniert und da intervenieren wir über das Gesundheitsministerium, das hat auch Erfolg gehabt im ersten Lockdown, dass dann über das Gesundheitsministerium in die Ambulanz interveniert wird und dann geht das auch. Das wäre also dann die nächste Stufe der Intervention, wenn die Kommunikation zwischen behandelndem Arzt und Ambulanz nicht funktioniert. Und bei den Apotheken haben wir auch eines gelernt. Die chronisch Kranken haben ja oft eine Reihe von Medikamenten, die sie jeden Tag einnehmen müssen, und da sollte man wirklich schauen, dass man immer eine Packung auf Vorrat hat, sodass man da immer einen Spielraum hat. Also wenn man nur noch eine hat, schon die nächste bestellen. Das haben wir auch gut kommuniziert und da merken wir, dass dieses Problem nicht mehr
wirklich da ist. Wir bekommen jetzt keine Anfragen mehr in diese Richtung, dass jemand sein Medikament nicht bekommt oder ewig darauf warten muss, weil wahrscheinliche viele geschaut haben, dass sie einen Vorrat haben. Und mit dem sicheren Arbeitsplatz, da haben die meisten Risikopatienten ein Attest bekommen. Bis auf das, dass es immer wieder Reibereien zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, funktioniert das jetzt aber auch besser als beim ersten Mal.

Es ist also auch hier ein Einpendeln spürbar.

Holzinger: Ja, es ist jetzt einfach auch schon bekannter und wir müssen wesentlich seltener dort anrufen – wir machen auch Interventionen bei den Arbeitgebern und erklären denen, was Sache ist, dass sie die Lohnkosten eh wieder von der ÖGK wieder retourniert bekommen und jetzt sind die Arbeitgeber schon aufgeklärter und da funktioniert das leichter.

D.h. wenn ich das richtig raushöre, ist Kommunikation hier wahnsinnig wichtig.

Holzinger: Ja genau, dass eben beide Seiten wissen: was ist jetzt Fakt, wer stellt dieses Attest z.B. aus, macht das der behandelnde Arzt, der Betriebsmediziner, der Facharzt; es war vieles nicht klar und da muss man viel kommunizieren und dann funktioniert es auch.

Okay, und sind Sie da auch auf Barrieren gestoßen, bis auf das, dass man es erklären muss.

Holzinger: Naja, es gibt immer eine Barriere, wenn es jemand nicht verstehen will, jemand, den es einfach nicht interessiert, dann muss man auch andere Mittel einsetzen. Es braucht halt oft Zeit, dass man gewisse Dinge vermittelt. Das ist halt das, diese personelle Ressource, man muss schauen dass man das Personal hat, das dieses Fachwissen hat und auch die Zeit hat. Das war eine große Herausforderung.

Da hängt dann doch auch einiges dran an Stellen, bei denen kommuniziert werden muss.

Holzinger: Genau und das kann nicht jeder machen; man kann nicht von heute auf morgen irgendjemanden diese Beratung machen lassen, das muss jemand sein der da schon ein Basiswissen hat und so schnell kann man sich da nicht einlesen, dass man da alles versteht und beraten kann. Da braucht es schon Wissen auch.

Okay und was würden Sie sagen in Bezug auf die private Krisenvorsorge an sich, haben Sie da für die Zukunft noch weitere Pläne der Anpassung für die Einzelpersonen?

Holzinger: Naja, wie gesagt, wir arbeiten so, dass wir jetzt erstmal sammeln was uns auffällt und wo wir denken, das wäre wichtig. Es wird noch dauern, bis wir einen Endbericht machen, das ist noch ein laufender Prozess. Aber die Punkte, die ich schon aufgezählt habe, das sind mal so die ersten Punkte, die für uns ganz wichtig sind und die man natürlich in einem gewissen Ausmaß auch für andere Krisen einsetzen kann. Aber es ist learning by doing, es wird sicher noch einiges kommen, was uns herausfordert.

Ja, man weiß eben so viel noch viel noch nicht, diese Unbestimmtheit. Um genau über diese Unbestimmtheit auch nochmal zu sprechen: Sie haben auch gesagt, die psychische Betreuung und Psychohygiene ist ein wichtiger Faktor, wo sie auch eine wichtige Rolle spielen. Was wären denn Coping-Strategien, die sie da z.B. empfehlen oder  mitgeben?

Holzinger: Es ist sehr schwierig bei chronisch kranken Menschen. Die wo schon eine psychische Erkrankung besteht und sich das jetzt durch Covid verschlimmert hat, weil man da jetzt nicht wirklich jemanden zuweisen kann und sagen kann „Dort kannst du dich unterstützen lassen“. Die meisten haben ja schon ihre Therapeuten oder sind in Behandlung. Man kann dann nicht wirklich viel in dem Augenblick machen, außer dass man die Leute informiert und sagt „Geh vielleicht ein bisschen früher zur Therapie und teile das bitte auch deinem Therapeuten mit, was dich jetzt zusätzlich beschäftigt.“ Weil die Probleme, die sowieso da sind ja trotzdem da sind und jetzt kommen neue dazu und das ist dann eine Herausforderung, dass man das Neue quasi auch in der Therapie miteinbezieht. Meistens geht es dann nur um das was eh schon da ist und was das Grundproblem ist; dass das Neue auch miteinbezogen wird, ich glaube dass das in vielen Fällen noch nicht in der Therapie dabei ist. Weil es eben noch ein Prozess ist und noch laufend ist. Manche kommen jetzt gerade erst drauf, dass es ihnen eigentlich schlechter geht und sich die Situation verstärkt, durch die Isolation, dass sie nicht mit anderen kommunizieren können.

Also die sind gerade in diesem Prozess drinnen, wo man zwar merkt, wenn man mit diesen Menschen Kontakt hat, dass es da ein Problem gibt oder sich etwas verschlechtert hat, aber sie selbst noch nicht so weit sind, dass sie das erkennen oder irgendwie wirklich wahrnehmen. Ich glaube das wird dann auch erst nachher kommen, dass man das
aufarbeitet und mit bestimmten Methoden (die wir jetzt noch nicht bestimmt haben) versucht wie man da am besten herangehen muss. Das ist dann eine riesige Herausforderung, wenn die Krise dann abflaut und nicht mehr so akut ist. Mitten in der akuten Phase ist es schwierig, dass man darauf eingeht. Also wenn es jemand ist, der bisher kein psychisches Problem gehabt hat, und jetzt eines bekommt, ist es leichter dass man dem weiterhilft und ihn zuweist. Aber wenn schon eine chronische psychische Erkrankung da ist, tut man sich dann oft sehr schwer.

Verstehe ich das richtig, dass man dann sozusagen schon auf einem Level der Reflexion ist und das dann zusätzlich kommt und vielleicht sogar weggeschoben wird.

Holzinger: Ja, dass es noch gar nicht so ernstgenommen wird und man die Auswirkungen dann erst viel später mitkriegen wird.

Ja, das ist ja leider bei der Wirtschaft auch so. Erstmal danke dafür. Sie haben ja auch schon gut geschildert, dass sie sehr viel im engen Austausch mit den Behörden, bzw. dem Krisenmanagement sind; auch mit den staatlichen Einrichtungen. Gibt es von Ihrer Seite her, auch in Bezug auf andere Krisen, aber jetzt auch auf Covid bezogen Wünsche, bzw. Empfehlungen für die Kooperation. Also gibt es jemanden, bei dem Sie sich denken, dass man unbedingt zusammenarbeiten müsste und dass es da mehr bräuchte um resilienter zu sein?

Holzinger: Also eigentlich funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen NGOs ganz gut. Ich wüsste jetzt gar nicht wirklich. Natürlich gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten, aber dadurch, dass es keine Best Practice Beispiele gibt bei Covid oder bei anderen Krisen, könnte ich momentan nicht sagen, was ich mir da genau wünschen würde. Ich glaube momentan versucht man, das Beste draus zu machen und die Kommunikation – was man schon merkt ist, dass jeder sehr bemüht ist, also dass man schon von den anderen NGOs merkt, dass jeder darum bemüht ist sich möglichst gut einzubringen und mitzuhelfen. Das ist vielleicht sogar noch mehr geworden als es vorher war, durch diese Krise. Ich glaube dieser Zusammenhalt hat sich durch die Krise auch nochmal verstärkt. Jede Organisation hat ihre Stärken und da spürt man, dass da jetzt mehr Ehrgeiz dahinter ist, kann man fast sagen. Dass man den Ernst einfach erkannt hat.

Also gewissermaßen ist etwas sichtbar geworden.

Holzinger: Ja genau. Und dass einem die eigenen Stärken bewusst sind und diese mit anderen teilt, ja. Man wird auch mehr gebraucht in so einer Krise. Gerade in unserem Bereich, merkt man einfach, dass es viel mehr Anfragen und Kommunikation gibt, wenn dieses Thema generell – Krankheit – in der Gesellschaft da ist, ist man viel geforderter, als es in normalen Zeiten der Fall wäre. Ich glaube das führt auch dazu, dass sich viele noch verstärkter bemühen und noch verstärkter einbringen wollen.

Ich höre da Positives heraus.

Holzinger: Ja, eigentlich schon. Ich könnte nicht sagen, dass ich irgendetwas vermissen würde jetzt im Augenblick. Wie gesagt, das muss man dann wieder reflektieren, wenn das ganze wieder ein bisschen abflaut, wenn man mehr Erfahrungen hat in dem Bereich, aber momentan glaube ich geht es so ganz gut.

Das klingt ja gut, wenn da zumindest auch etwas Positives ist in solchen Situationen. Dann würde ich auch noch in Bezug auf die Vernetzung zwischen den Klient*innen fragen. Gibt es da etwas? Haben Sie da auch während Covid gemerkt, dass da etwas verstärkt worden ist?

Holzinger: Inwiefern meinen Sie das jetzt? Mit den chronisch Kranken?

Genau, also die chronisch Kranken untereinander.

Holzinger: Ah verstehe, naja, wir haben einige Selbsthilfegruppen wo sich Betroffene zu ihren Erkrankungen austauschen und da war das Thema, eben genau diese Herausforderung: Die persönlichen Treffen brechen weg. D.h. der persönliche Kontakt bricht weg und da haben wir festgestellt, dass gerade in den Gruppen in denen es um psychische Einschränkungen geht das wesentlich massiver ist, diese Folgen davon, weil der soziale Kontakt für diese Leute noch wichtiger war, als in Gruppen in denen es mehr um körperliche Erkrankungen geht. Da gibt es für viele das Problem, dass Zoom und alle anderen Mittel, die man elektronisch zum Austausch verwenden kann, für die Leute nicht so befriedigend sind, wie der persönliche Kontakt. Weil die haben sich davor einmal in der Woche persönlich getroffen oder einmal im Monat bei größeren Gruppen und da war der Austausch intensiver. Das wird uns berichtet und es hat mehr bewirkt als das elektronische. Das ist aber eher in den psychischen Gruppen der Fall, dass das bemängelt wird, dass es eben nicht befriedigend ist. Bei den körperlichen merkt man das nicht so. Wir haben große Gruppen, da sind über 1000 Betroffene drinnen und da funktioniert das über Facebook ganz gut, über Zoom machen sie auch etwas. Da gibt es eigentlich, bis auf die digitale Herausforderung, dass jeder das auch technisch zur Hand hat und das machen kann kaum Probleme. Die Rückmeldungen sind wesentlich positiver. Es hat auch entspannt gegenüber dem letzten Lockdown, weil die Leute auch technisch aufgerüstet haben. Es ist fast jedem möglich, dass er das jetzt elektronisch machen kann. Nur bei den Gruppen mit psychischen Erkrankungen gibt es immer wieder die Rückmeldung, dass das nicht befriedigend ist und dafür gibt es momentan eigentlich auch keine Lösung. Da müssen wir jetzt den Lockdown abwarten. Ansonsten gibt es eh Veranstaltungskonzepte, die wir dann umsetzen wollen, damit wir dann trotzdem diese persönlichen Treffen haben können.

Mhm, das Um und Auf sozusagen, dass man sich sozial begegnet.
In Bezug auf Coping Strategien, bzw. Vorbereitungen an sich: Wir haben auch im Zuge von anderenExpert*innen Interviews Empfehlungen gesammelt und da ist auch die Frage in Bezug auf Konkretes: Geht von Ihrem Verein auch so eine Empfehlung aus, wie z.B. „Beschäftigt euch“, also eben Hobbys betreiben, Backen und dergleichen. Ist soetwas auch vorgekommen?

Holzinger: Ja, wir haben schon – als was bei uns ganz wichtig war, ist, dass wir den Menschen trotzdem empfehlen, dass sie nach Draußen gehen sollen, an die frische Luft. Gerade bei den psychisch erkrankten Menschen. Viele haben gedacht sie dürfen dann nicht mehr rausgehen; das war im ersten Lockdown ganz stark. Das unbedingt! Das haben wir auch empfohlen: Geht raus. Natürlich mit der Empfehlung alleine oder maximal zu zweit im eigenen Haushalt. Hobbys sind ein bisschen schwierig, weil es sind chronisch kranke Menschen und viele machen nichts sportlich oder können nichts sportlich machen. Jetzt haben sich diese Hobbys dann sowieso mehr auf den Innenraum bezogen, dass sie irgendwelche Spiele gespielt haben oder sonstiges. Aber das wichtigste war eigentlich frische Luft zu schnappen. Dass man trotzdem an die frische Luft kommt, sich nicht zuhause einsperrt und isoliert und nach außen geht. Diese Selbsthilfegruppen bei uns haben versucht mit elektronischen Mitteln trotzdem den Kontakt aufrecht zu erhalten, das funktioniert ganz gut, dass man sich trotzdem nicht aus den Augen verliert und Kontakt hat. Diese Empfehlungen waren schon wichtig, weil wir doch relativ viele Anfragen bekommen haben mit Fragen wie: „Darf ich jetzt nicht mehr nach draußen gehen?“. Es kam dann auch das Thema „Soll man nicht auch das Freizeitverhalten einschränken, wenn die Leute nicht arbeiten gehen, sollen wir dann nicht auch die Freizeit einschränken, dass die Leute gewisse Dinge nicht machen dürfen.“ Bis wir dann auch gezeigt haben, dass es nur ganz wenige Leute sind, die wirklich freigestellt sind und die meisten Leute eh trotzdem im Homeoffice oder in einem Extrabüro arbeiten. Aber von Seiten des Wirtschaftsbundes sind solche Forderungen gekommen: Man soll die Freizeit mehr einschränken, damit gewisse Menschen nicht mit Hochrisikoleuten nicht ins Kino oder zu einem Fußballspiel gehen dürfen. Aber das ist gefährlich, da muss man aufpassen, das schneidet in die Grundrechte ein und da haben wir massiv interveniert. Ich habe auch ein Video mit dem Minister Anschober gemacht, wo er auch klar gesagt hat, dass er nie zulassen wird, dass soetwas passiert und auch der Bundeskanzler war dagegen. Es sind dann eben Ängste die da kommen und diese Ängste stecken dann auch andere an und dann entwickelt sich da etwas Massives. Und deswegen haben wir auch unbedingt empfohlen: Geht nach draußen, geht an die frische Luft, macht etwas, aber eben sicher.

Ja, eben mit Abstand halten, aber unbedingt, um den Kopf freizubekommen usw.

Holzinger: Genau, was ja auch für gesunde Menschen wichtig ist.

Absolut. Genau, aber eben, man muss das ins Bewusstsein rufen und gerade wenn man von einer chronischen Erkrankung betroffen ist, ist es wahrscheinlich auch nochmal mehr Überwindung, wie Sie schon geschildert haben.

Holzinger: Ja genau, die Angst, ob einem eh nichts passieren kann wenn man nach Draußen geht. Es gab einfach viele Unklarheiten und das ist auch immer noch so, dass die Leute nicht wissen: „Darf ich da nach draußen gehen, kann ich -„, also da gibt es viele Fragen; in dem Zusammenhang stehen auch viele Unsicherheiten einfach.

Ja, wo Ihr Verein aber auch immer unterstützend sein kann.

Holzinger: Genau, ja, deswegen haben wir ja auch mit den zwei Ministern Aschbacher und Anschober diese Videos auf Social Media gemacht, damit die Betroffenen auch wirklich sehen, dass sie sich für sie interessieren und die Fragen, die sie am meisten beschäftigen einfach beantworten. Das hat sehr geholfen, das haben wir gesehen und es hat sich dann wesentlich entspannt danach bei uns, in dieser homogenen Gruppe. Wie sie gesehen haben: Die wichtigsten Fragen haben wir dann mit den Ministern besprochen und das war dann auch klar, weil wenn der Minister das im Fernsehen sagt, bzw. auf dem Bildschirm auf Facebook, dann glauben sie das auch. Und mit dem kann man dann das andere auch ein bisschen wegschieben, was da sonst noch gesagt wird.

Je eben, wie sie eben auch schon zu Beginn gesagt haben, da sind ja viele Infos unterwegs gewesen, die nicht so der Wahrheit entsprechen. Sagen wir es mal so. Und die die Angst dann noch steigern können. Wenn wir jetzt eben in Bezug auf Blackout und Strahlenunfall nochmal auf diese Szenarien zu sprechen kommen: Von ihrer Organisation aus ist es ja so, dass es jetzt eben keine dezidierten Maßnahmen dazu gibt, sozusagen?

Holzinger: Nein eigentlich nicht.

Und wenn ich sie jetzt so darauf anspreche, würde das dann soetwas in die Richtung anregen?

Holzinger: Also, ja, das ist auf alle Fälle ein Thema. Jetzt wo man es anspricht, natürlich sollte man sich darüber Gedanken. Das ist ungefähr so wie mit Covid, mit dem hat auch niemand gerechnet und darum hat da auch niemand ein Konzept gehabt, glaube ich. Es ist natürlich wichtig, dass man sich da Gedanken macht, weil mir Ad hoc jetzt auch nicht wirklich einfällt, was man in so einer Krise tun könnte. Bei einem Strahlenunfall kann man noch sagen, okay, dann stellt man wirklich auf Homeoffice um, auch wenn das dann nicht so reibungslos läuft, aber es läuft dann zumindest trotzdem noch. Aber wenn der Strom weg ist und wir ein Blackout haben wüsste ich nicht wie wir den Betrieb aufrechterhalten sollten, wenn Telefon und Internet weg sind. Wir haben kein Notstromaggregat. Aber ich habe von einem Bekannten von mir gehört – der ist Polizist – ich glaube der hat gesagt, wenn zwei Tage der Strom weg ist, sind wir sowieso wieder in der Steinzeit, weil man das System gar nicht mehr so schnell rauffahren kann, dass das wieder wie vorher ist. Also, wir haben uns da überhaupt noch keine Gedanken gemacht und es wird auch von den Behörden nichts vorgegeben, dass man da ein Konzept bräuchte. Da gibt es also keine Vorschriften, dass wir da soetwas haben müssten.

Mhm, verstehe. Es ist diese Angewiesenheit ja auch sehr breitflächig, weil jetzt die Digitalisierung auch schon so vorangeschritten ist, dass man da die Abhängigkeit einfach noch mehr steigert.

Holzinger: Ja extrem.

Ich denke im Prinzip haben Sie mir jetzt schon sehr hilfreichen Input gegeben.
Ich wollte nur noch fragen, in Bezug auf die Vernetzung zu Deutschland beispielsweise: Wir haben im Zuge des Projekts eine Anfrage von einem sehr besorgten Vater bekommen, der sich Gedanken über seine Tochter macht, die MS hat, bezüglich der Medikamentenversorgung. Und da hat er gefragt ob wir eine Empfehlung hätten für einen Link für Deutschland, da er in Deutschland ist. Haben Sie da eventuell einen Tipp?

Holzinger: Wir bekommen fast täglich auch Anfragen aus Deutschland, weil es in Deutschland scheinbar keinen generellen Verein für chronisch Kranke gibt. D.h. da gibt es regionale Verbände öfter, wo man fragen kann, aber so einen übergreifenden bundesweiten Verein gibt es dort nicht. Aber dadurch dass die Gesetztes- und Sozialversicherungslandschaft eine ganz andere ist und man das überhaupt nicht mit Österreich vergleichen kann, ist das einfach ganz schwierig, dass wir irgendwelche Empfehlungen abgeben, weil es muss ja dann auch wirklich seriös sein und wirklich passen. Und wir haben auch die Kapazitäten nicht um uns mit dem deutschen System zu befassen. Das würde ich also nicht rechtfertigen können vor den Fördergebern. Letztes Jahr habe ich auf RTL.12 ein Interview gegeben, weil sie gemeint haben es fehlt soetwas in Deutschland und da ging es um die Berufsunfähigkeit, da haben sie in Deutschland ähnliche Probleme wie in Österreich, aber es gibt niemanden der die Leute vertritt vor den Behörden usw. Und da haben wir auch festgestellt, dass die Situation ähnlich ist, aber die Gesetze sind trotzdem
komplett anders; d.h. wir könnten dort nicht helfen, da hätten wir keine Kompetenz und es gibt leider nichts Vergleichbares in Deutschland. Wir können dann nur selbst googeln und schauen, ob es irgendeinen Verband gibt, der dort in Deutschland helfen kann, aber da muss man eben dann schauen, was ist das für eine Frage und das ist ja auch wieder zeitaufwendig dann.

Natürlich, eben, Recherche an sich ist ja aufwändig.

Holzinger: Eben genau, da haben wir die Kapazitäten nicht, weil wir eben selbst so viele Anfragen haben im österreichischen Raum.

Nachvollziehbar. Das heißt aber, wegen der Krisenresistenz an sich, wäre da eine internationale Vernetzung hilfreich?

Holzinger: Ja sicherlich. Nur müsste es eben vergleichbar sein. Ja, klar. [Unverständlich – Ton ist weg] Wenn es eine Situation gäbe… [Ton weg]. Es gibt einen Parkinsonverband Österreich, das gibt es auch in Deutschland. Da geht das leichter, wo es nur medizinische Grundlagen gibt, weil diese sind gleich, egal in welchem Land. Aber wenn es um rechtliche Belange geht, stehen wir an, weil das sind komplett unterschiedliche Anliegen. Da kann man nicht wirklich etwas vergleichen und auch nicht recht viel vernetzen. Vielleicht eben jetzt in den Herausforderungen mit Covid wieder; da wäre es möglich, dass man sich vernetzt, aber im alltäglichen Prozess schwierig, weil es ganz andere Gesetze sind.

Mhm, ja eben, wenn sich der Referenzrahmen absolut unterscheidet. Das ist nachvollziehbar. Mein Gedankengang war wegen der Stromversorgung, die verläuft ja auch international, dass man das da ja auch aufspannen könnte. Meine abschließende Frage an Sie wäre, ob Ihnen noch etwas in Bezug auf die private Krisenvorsorge einfällt, was noch nicht gesagt worden ist.

Holzinger: Das wesentliche habe ich eigentlich gesagt, was wir empfehlen und im Alltag für Anfragen haben. Es gibt natürlich viele Detailfragen, aber das betrifft dann natürlich immer ganz homogene Gruppen, die dann quasi gewisse Probleme mit Covid haben. Aber allgemein gesehen habe ich die wichtigsten Punkte genannt, das was uns am meisten beschäftigt.

Also Sie beziehen sich wirklich auf die spezifischen Bedürfnisse von „Krankheitsgruppen“.

Holzinger: Genau, also die Gruppen die sich an uns wenden. Das sind Angehörige oder die chronisch Kranken selbst.

Und fällt Ihnen im Allgemeinen noch etwas ein, was sie gerne sagen würden in dem Zusammenhang?

Holzinger: Naja, was mir generell wichtig ist, ist dass man wirklich seriöse Information nach außen gibt. Das versuchen wir, darum auch der Kontakt zu den Ministerien direkt, also nicht über die Medien, dass man irgendetwas aufgreift und verbreitet, sondern dass man das wirklich aus erster Hand bekommt und das dann der Gruppe die es betrifft zur Verfügung stellt. Dafür setzen wir uns ein. Das war am Anfang auch nicht ganz leicht zu diesen Informationen zu kommen. Das hat sich jetzt Gott sei Dank wesentlich verbessert. Das Thema ist auch, dass wir viel Medienkontakt haben und da muss man dann auch aufpassen was man nach Außen gibt, weil man eben mehr verunsichert als es gut ist. Und das möchte ich nicht, ich möchte die Informationen nach außen geben, die wichtig sind. Und da habe ich am Anfang sehr Probleme damit gehabt, weil viele Informationen auch von anderen Gruppen weitergegeben wurden, die im Endeffekt nicht gestimmt haben, oder nicht so gestimmt haben. Und damit macht man einen riesen Wirbel.
Allgemein wäre es wichtig, dass man seriöse Quellen nutzt. Das liegt uns am Herzen und deswegen sind wir auch froh, dass wir diesen direkten Kontakt mit den Ministerien haben, weil da kann man sich sicher sein, dass das zumindest direkt von der Behörde kommt und nicht von irgendwo anders. Genau, also diese Seriosität in der Berichterstattung ist wichtig. Vor allem wenn man eben mit großen Medien zu tun hat. Da muss man sowieso immer aufpassen, dass das im Endeffekt nicht zu sehr ausgeschmückt wird, wenn es dann nach draußen geht. Da sehe ich es auch als unsere Aufgabe, dass wir das dann wirklich aufs Wesentliche herunterbrechen und das seriös nach außen bringen.

Alles klar, ja.

Holzinger: Und damit kann man viele Ängste beseitigen. Und das haben wir bemerkt, das erleichtert uns auch die Arbeit, wenn nicht so viele Ängste von den Leuten da sind, weil sie immer irgendwo irgendetwas hören. Da tut man sich selbst dann auch schwer, wenn man so viele Fragen beantworten muss, wo man gleich weiß dass das eh ein Blödsinn ist. Weil eben sehr viel kommuniziert wird, was nicht stimmt. Und da steigt dann natürlich die Verunsicherung und die Angst.

Mhm, eben auch über Soziale Medien, etc., wie Sie schon erzählt haben.

Holzinger: Genau, dann haben wir selbst noch mehr Arbeit, weil man das wieder entkräften und richtig stellen muss, das ist dann ein Kreislauf.

Mhm, verstehe ja. Da ist ständig etwas zu tun, es gibt ja auch immer wieder neue Informationen. Ich denke von meiner Seite her –

Holzinger: Wir haben auf der Homepage auch eine eigene Gruppe über Covid; wenn Sie noch Informationen suchen oder wenn Sie noch irgendetwas interessiert. Ich kann Ihnen das gerne noch kurz zeigen. Also das ist unsere Homepage und wenn man da auf Neuigkeiten klickt oben, sieht man die Kategorie Corona-Virus. Und wenn man da draufklickt, dann kommt man quasi in die Kategorie hinein – da geht es nur um das Thema, also alles was uns in der letzten Zeit, eben seit Corona, beschäftigt. Also da sind die ganzen Mediensachen und unsere Berichte drinnen; vielleicht ist da  noch etwas dabei, was sie noch verwenden können.

Vielen Dank. Überblicksmäßig habe ich es mir natürlich schon angeschaut.

Holzinger: Sehr gut. Dort sind auch die Ministervideos drinnen und die TV-Beiträge, also alles was uns so beschäftigt.

Ja sehr umfassend, das ist wirklich löblich.

Holzinger: Ja wir bemühen uns. Man braucht halt die Medien, weil man das Ganze dann auch mehr in die Breite bringt. Sonst tut man sich da schwer. Nur mit Facebook und Newsletter- Aussendungen ist das schwierig. Also man braucht die großen – am besten die größten – Medien und Kronenzeitung und ORF sind halt die größten. Und da erreicht man einfach viele Menschen.

Ja, das streut wirklich am weitesten, sozusagen. Und ich habe eben auch gesehen, dass sie Informationspackages anbieten.

Holzinger: Ja genau, diese Infopakete meinen Sie glaube ich. Genau, da gibt es 4 Pakete, da stellen wir zusammen was für die einzelnen Gruppen dann wichtig ist. Das sind so 4 kg Pakete, die wir dann zuschicken und auch ein individuelles.  Das wird auch sehr gerne angenommen.

Aha, das heißt das wird viel bestellt. Das sind dann auch verschiedenste bürokratische Unterlagen, wenn ich das richtig verstehe?

Holzinger: Ja genau, alles in Bezug auf Krankheit. Also z.B. Senioren die chronisch krank sind, oder Kinder und Jugendliche, oder Menschen die einen Behindertenpass haben. Was steht denen zu in Österreich, das ist in den Paketen drinnen. Das ist dann mal der erste Überblick und dann bieten wir ein Beratungsgespräch an, bei dem man dann darauf eingeht und schaut was für denjenigen wirklich geeignet ist und was man da beantragen kann.

Verstehe. Und ist es da im Zuge von Covid merklich gewesen, dass noch mehr danach gefragt wurde?

Holzinger: Das ist eigentlich – da müsste ich jetzt nachschauen – aber ich glaube nicht, dass es so extrem viel mehr geworden ist. Das haben wir eigentlich nur bei den Anfragen via Email und Telefon gehabt. Diese Anfragen sind teilweise um 40-50% mehr geworden in der Hauptphase als vorher.

Mhm. Und weil ich jetzt gerade auch die Altersgruppen gesehen habe, gibt es da eine Verteilung. Haben Sie da etwas gemerkt?

Holzinger: Ja schon. Also die Hauptgruppe ist zwischen 35 und 48. Das war so die Hauptgruppe von 15. März bis 30. Oktober. Da haben wir das erhoben gehabt und da war es diese Gruppe, die sich am meisten an uns gewendet haben.

Alles klar. Super. Vielen Dank für diese Zusatzinformationen. Ich habe meine Frage beantwortet bekommen.

Holzinger: Wir haben ja da vor kurzem dieses „Grünbuch“ gemacht, von der forschenden Pharma. Das ist jetzt gerade vorgestellt worden, quasi über alles was jetzt mit Corona in Verbindung steht. Da habe ich auch einen Beitrag dazu gemacht. Das ist mein Beitrag. Sehr viele Expert*innen haben da ein Interview dazu gegeben. Das ist auch sehr interessant. Da geht es auch um das Thema Covid, was in dieser Zeit jetzt passiert ist und wo die Herausforderungen für uns waren.

Großartig, super.

Holzinger: Ja, es sind jetzt sehr viele die in diesem Bereich forschen. Und es interessiert natürlich viele was sich in dieser Zeit in ihrem Bereich verändert hat und wo die Herausforderungen waren.

Genau, bzw. auch welche Schritte gut gesetzt werden können um besser vorzusorgen. Das ist die Absicht. Gut, in dem Sinn bedanke ich mich nochmal.

Holzinger: Gut, danke ich auch.

 

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