April 2015
Aufgabe bedarfsorientierter Mindestsicherung ist die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen (vgl § 1 Abs 1 oö. BMSG). Ziele der bedarfsorientierten Mindestsicherung sind insbesondere die Vermeidung und Bekämpfung von Armut und soziale Ausgrenzung sowie die Unterstützung beim Einstieg oder Wiedereinstieg ins Arbeitsleben.
Bedarfsorientierter Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Dieser Grundsatz wird durch das Rechtzeitigkeitsprinzip, geregelt in § 2 Abs 2 Oö. BMSG, festgelegt.
Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist, dass eine Person von einer sozialen Notlage betroffen ist und bemühen ( vgl § 5 Oö. BMSG).
Eine soziale Notlage liegt bei Personen vor, die Ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaften leben, nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können ( vgl § 6 Abs 1 Oö. BMSG). Eine soziale Notlage liegt auch bei Personen vor, die von Gewalt durch Angehörige, von Wohnungslosigkeit oder von Schuldprobleme betroffen sind oder auf Grund ihrer besonderen persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnissen oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse einer sozialen Gefährdung ausgesetzt sind, die nur durch Gewährung einmaliger Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung behoben werden kann ( vgl § 6 Abs 4 Oö. BMSG).
Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung setzt die Bereitschaft der Hilfsbedürftigen Personen voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung oder Überwindung der sozialen Notlage beizutragen („Bemühungspflicht“, § 7 Abs 1 Oö BMSG). Eine Bemühung ist dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre. Als Beitrag der hilfsbedürftigen Person gelten insbesondere der Einsatzeigener Mittel sowie der Einsatz der eigenen Arbeitskraft, die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie die Umsetzung aufgetragener Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder Überwindung der sozialen Notlage (vgl § 7 Abs 2 OÖ. BMSG).
Gemäß 3 11 Abs 1 Oö. BMSG haben Hilfsbedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist auf die persönliche und familiäre Situation der hilfesuchenden Person sowie die Eigenart und Ursache der sozialen Notlage Bedacht zu nehmen (vgl § 11 Abs 2 Oö. BMSG). Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, können stufenweise und maximal um die Hälfte gekürzt werden, wenn trotz nachweislicher vorheriger Ermahnung durch die zuständige Behörde keine Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft besteht (vgl §11 Abs 14 Oö. BMSG).
Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung setzt gemäß § 28 Abs 1 Oö. BMSG einen vorherigen Antragvoraus. Die Behörde hat die hilfesuchende Person der jeweiligen Sachlage entsprechend zu informiere, zu beraten und anzuleiten, soweit dies zur Erreichung der Ziele bedarfsorientierter Mindestsicherung notwendig ist („Informationspflicht“, § 29 Oö. BMSG):
Die hilfesuchende Person ist verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitzuwirken („Mitwirkungspflicht“, § 30 Oö. BMSG). Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sind insbesondere die zur Durchführung des Verfahrens erforderlich Angaben zu machen, erforderliche Urkunden oder Unterlagen beizubringen und erforderlichen Untersuchungen zu ermöglichen. Mithilfe dieser Angaben und Unterlagen kann die Behörde den Sachverhalt ermitteln, welcher für die Entscheidung über den Leistungsanspruch wesentlich ist.
Kommt eine hilfesuchente Person ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen (vgl § 30 Abs 2 Oö. BMSG).
Über die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist mit schriftlichem Bescheid abzusprechen (vgl § 31 Abs 1 Oö. BMSG). Sofern der Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung nicht zurück- oder abzuweisen ist, sind im Spruch des Bescheids die Höhe des Mindestsicherungsanspruch durch Angabe der jeweiligen Mindeststandards in einem Spruchpunkt und die einzusetzenden eigenen Mittel sowie allfällige Freibeträge in einem gesonderten Spruchpunkt dem Grunde nach zu bezeichnen (vgl §3 Abs 2 Oö. BMSG). Die Gründe für die benötigte Verfahrensdauer hat die Behörde mangels gesetzlicher Anordnung nicht in die Bescheidbegründung aufzunehmen.
Gemäß § 32 Abs 1 Oö. BMSG ist die Behörde verpflichtet, ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber drei Monate nach der Einbringung des Antrags, einen Bescheid zu erlassen. Hinsichtlich dieser 3-Monatsfrist ist anzumerken, dass es sich hierbei um die Obergrenze der Bescheiderlassungsfrist (für extreme Ausnahmefälle) handelt. Im Normalfall ist von einer wesentlich kürzeren Verfahrensdauer auszugeben.
Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist von drei Monaten erlassen, so hat auf Grund einer Säumnisbeschwerde der Partei das Landesverwaltungsgericht der Behörde binnen einer Woche aufzutragen, innerhalb von bis zu vier Wochen den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheids dem Landesverwaltungsgericht vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungsplicht nicht vorliegt (vgl § 32 Abs 2 Oö. BMSG).
In vielen Fällen tritt die soziale Notlage plötzlich und unerwartet ein, zB auf Grund von Gewalt durch Angehörige, Wohnungslosigkeit oder auf Grund eines außergewöhnlichen Ereignisses. Die vorherige Antragstellung (vgl § 28vAbs 1 Oö. BMSG) sowie das Abwarten der (allenfalls) dreimonatigen Entscheidungsfrist der Behörde, könnte in vielen Fällen eine besondere Härte für die hilfesuchende Person darstellen, weil sie in dieser Zeit auf Hilfeleistung angewiesen ist. Dadurch würde das Ziel der bedarfsorientierten Mindestsicherung verfehlt werden, weil sie in diesen Fällen rechtzeitig einsetzen würden (vgl §2 Abs 2 Oö. BMSG).
Aus diesem Grund bestimmt § 32 Abs 4 Oö. BMSG, dass der regionale Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung verpflichtet ist, wenn und insoweit eine unmittelbare Gefährdung des Lebensunterhalts oder des Wohnbedarfs der hilfesuchenden Person glaubhaft gemacht werden kann, die erforderliche Soforthilfe vorzugsweise in Form von Sachleistungen als Vorleistung zur Verfügung zu stellen ist. Unabhängig davon, ob die soziale Notlage eine unmittelbare Gefährdung des Lebensunterhalts oder des Wohnbedarfs der hilfesuchenden Person herbeiführt oder nicht, erfordert die bedarfsorientierte Mindestsicherung immer ein rechtzeitiges Einsetzen im Sinn des Rechtzeitigkeitsprinzips (vgl § 2 Abs 2 BMDG). Die Einhaltung des Rechtzeitigkeitserfordernisses kann nur bewirkt werden, wenn entweder bei unmittelbarer Gefährdung de hilfesuchenden Person Vorleistungen gestellt werden oder eine rasche Entscheidung der Behörde erfolgt.
Wie bereits oben ausgeführt erfolgt im Regelfall die Entscheidung der Behörde binnen drei Monaten. Problematisch erscheint die 3-Monatsfrist jedoch in (extremen) Ausnahmenfällen, in welchen eine aufwendige Sachverhaltsermittlung notwendig ist.
Diesbezüglich ist anzumerken, dass das Ziel eines jeden Ermittlungsverfahrens die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts ist. Diesen maßgebenden Sachverhalt hat die Behörde unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit, der Raschheit, der Einfachheit sowie der Kostenersparnis zu ermitteln. Die korrekte und vollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine Bedingung für die Erlassung eines Bescheids dar. Einen Bescheid zu erlassen bedeutet jene rechtlichen Folgen anzuordnen, die ein Gesetz für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts vorsieht. Der maßgebende Sachverhalt ist die Grundlage für die Anordnung von Rechtsfolgen. Der in einem Bescheid zugesprochene Leistungsanspruch bezieht sich nur auf das, was als maßgebenden Sachverhalts festgehalten worden ist.
Eine aufwendige Sachverhaltsmitteilung führt zwangsläufig zu einem höheren Verfahrensaufwand und zu einer längeren Verfahrensdauer. Um einer solchen Verfahrensverzögerung und einer höheren Verfahrensdauer entgegenzuwirken, ist daher eine Mitwirkungspflicht der hilfesuchenden Person unerlässlich. Nur mittels einer zielführenden gemeinsamen Zusammenarbeit der hilfesuchenden Person und der Behörden kann in Fällen von sozialen Notlagen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und sichergestellt werden.
Zum Aufzeigen von Mängeln der Verwaltung ist die Volksanwaltschaft berufen. Sollte es bei einzelnen Behörden Auffälligkeiten hinsichtlich überdurchschnittlicher Häufung von langen Verfahrensdauer geben, wär allenfalls diese einzuschalten. Dieser gegenüber muss de (lange) Dauer des Verfahrens begründet werden.
Autor (Beirat RA Dr. Helmut Blum)
Bund-Länder-Vereinbarung: Gesetzliche Grundlage Erkenntnis des VfGH vom 26.11.2014: Gesetzliche Grundlage
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