Problemanalyse
Seit der Legalisierung der 24 Stunden Betreuung im Jahr 2008 sind viele neue Vermittlungsorganisationen auf dem Pflege- und Betreuungsmarkt entstanden. Es wird geschätzt, dass derzeit annähernd 600 Agenturen tätig sind. Die meisten Anbieter befinden sich in Österreich und in den angrenzenden Staaten wie Slowakei, Rumänien, Ungarn, Polen und Bulgarien.
Die Nachfrage nach PersonenbetreuerInnen ist ungebrochen und wird auch weiterhin anhalten. Die Anzahl der bisher angemeldeten PersonenbetreuerInnen steigt kontinuierlich.
Laut WKO waren Ende 2013 mehr als 60.000 PersonenbetreuerInnen (PB) in Österreich tätig, davon etwa 15.000 ruhend gemeldet. Seit der Legalisierung im Jahr 2008 haben 53.000 BetreuerInnen das Gewerbe inzwischen wieder gelöscht.
Somit waren bisher rund 100.000 BetreuerInnen bei österreichischen Betreuungsbedürftigen im Einsatz.
Folgende Problematiken ergeben sich derzeit durch fehlende gesetzliche Regelungen:
1) PB bekommen nicht die volle Höhe der Honorare ausbezahlt, da Agenturen oftmals einen Teil für sich behalten.
2) Agentur zahlt die SVA-Beiträge für die PB = Selbstständigkeit von PB kann in Frage gestellt werden (Scheinselbstständigkeit).
3) Agentur verspricht den PB die SVA-Beiträge für sie zu bezahlen – macht es aber nicht, womit sich für die PB Schulden bei SVA anhäufen, die PB dann selbst tragen muss und die zu Betreuenden ihre Förderung beim Sozialministeriumservice verlieren können.
4) Agenturen haben PB mit dieser Verrechnungsart „in der Hand“ und geben ihnen daher unannehmbare Bedingungen vor – z.B. rumänische PB, welche 3 Monate nicht „durchhalten“, und früher als geplant abreisen möchten, bekommen kein Honorar ausbezahlt.
5) Im Falle einer gewünschten Pause seitens der PB (z.B. wegen Krankheit) wird der Gewerbeschein und die Versicherung sofort gelöscht. Wenn PB nach der Pause wieder arbeiten möchte, muss sie die gesamte Anmeldeprozedur selbst wieder erledigen und neuerlich Gebühren bezahlen.
6) Agenturen verrechnen den zu Betreuenden oftmals monatliche Pauschale, welche viel höher liegen als die eigentlichen SVA-Beiträge der PB = Versteckte Agenturgebühr.
7) Verträge werden von Tür zu Tür unterschrieben, bei PB z.B. am Bahnhof wenn sie in Österreich ankommen.
8) PB arbeiten für Niedrichst-Honorare, vor allem rumänische und bulgarische PB. Es wird im Internet immer mit den billigsten Tageshonoraren geworben, die im Endeffekt gar nicht stimmen.
9) Zu Betreuende zahlen oftmals überhöhte Agenturgebühren. Auch von den PB werden oftmals Gebühren von mehr als 800-1000 € pro Jahr verrechnet.
10) Unzulässige Auswahl der PB – die meisten PB werden nur per Telefon oder Mail ausgewählt ohne sie persönlich und durch Fachkräfte überprüft zu haben. Manche österr. Agenturen arbeiten mit Partnerfirmen in den Heimatländern der PB zusammen, welchen die nötige Fachkompetenz fehlt. Es gibt sogar online Vermittlungen.
11) Agenturen sind nicht erreichbar, haben keine festen Bürozeiten, oder antworten gar nicht auf Anfrage und kassieren hohe „Case Management“ Gebühren.
12) Agenturen fehlt es an Fachkompetenz – Baumeister, Versicherungsmakler, Finanzberater und Autohändler arbeiten als Pflege-Vermittler.
13) Keine Vertragssicherheit – versprochene Leistungen werden nicht schriftlich in Verträgen festgehalten. Dies gilt vor allem bei den PB – es werden Gebühren verlangt auch wenn PB mehrere Wochen bzw. Monate keinen Klienten bekommt. 14) Zu Pflegende müssen selbst die Gewerbeanmeldung sowie Förderansuchen für PB erledigen. Hilfe der Agenturen ist im solchen Fall nur eine lange Liste mit den nötigen Erledigungswegen.
15) PB arbeiten OHNE österreichischen GEWERBESCHEIN; sondern sind Angestellte von SK-Agenturen, die in der Slowakei versichert sind und nach Österreich herüberarbeiten. Das ist bei nachgewiesener Regelmäßigkeit = illegal.
16) Agenturen helfen PB nicht mit den An- bzw. Ummeldungen bei Behörden im Falle eines Wechsels. Behörden suchen in ganz Österreich nach PB, was eine Gefährdung des Förderungsbezuges für zu Betreuende nach sich ziehen kann.
Nach unseren zahlreichen medialen und persönlichen Interventionen mit den größten Medien Österreichs sowie im Sozialministerium, dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftskammer Österreich wurden nun die folgenden Verordnungen in Begutachtung geschickt.
Folgend die Verordnungen sowie unsere Stellungnahme:
Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für die Organisation von Personenbetreuung; Novelle der Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur Ansicht:
Erledigung_1_(Verteilerliste)_BMWFW-30.680_0004-I_7_2015_24.08.2015_
Personenbetreuung,_Organisation_(WFA_in_Word_Format)
Personenbetreuung_(WFA_in_Word_Format)
Erläuterungen_Ausübungsregeln_Organisation_von_Personenbetreuung
Erläuterungen_Ausübungsregeln_Personenbetreuung
Unsere STELLUNGNAHME zu den Entwürfen
der Verordnungen des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Standes- und Ausübungsregeln für die:
- Leistungen der Personenbetreuung
- Organisation von Personenbetreuung
Um die Qualität in der Personenbetreuung nachhaltig zu sichern, möchten wir folgende Ergänzungsvorschläge zu den oben beschriebenen Entwürfen abgeben:
- Leistungen der Personenbetreuung
Verpflichtung der Personenbetreuer zur Absolvierung einer Mindestausbildung in Form eines Pflegekurses. Diese Ausbildung sollte mindestens 200 Stunden in Theorie und Praxis umfassen. Das entsprechende Zertifikat darf nur von einer akkreditierten Ausbildungsstelle in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellt werden.
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Erläuterung: Eine Mindestausbildung der Betreuungskräfte ist unbedingt notwendig, da Personenbetreuung eine Schnittstelle zwischen Heimhilfe und Pflege ist. Personenbetreuer sind oftmals die einzigen Personen, welche die Notwendigkeit von pflegerischen oder medizinischen Tätigkeiten rechtzeitig erkennen und dementsprechend weitere Schritte einleiten müssen. Der gefürchtete Rückgang der Anzahl an Betreuungskräften im Falle einer verpflichtenden Ausbildung ist unwahrscheinlich, denn bereits jetzt werden durch viele Agenturen nur mehr ausgebildete Personenbetreuer vermittelt, zumal ein Ausbildungsnachweis auch für den Erhalt der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung notwendig ist.
Verpflichtung der Personenbetreuer zum Abschluss einer Berufshaft-pflichtversicherung, welche die Deckung von Personen-, Sach- und Vermög
ensschäden beinhaltet.Erläuterung: In der Praxis wird von Personenbetreuern nur selten eine Haftpflicht-Versicherung abgeschlossen, da Personenbetreuer die Notwendigkeit dieser nicht erkennen. Im Schadensfall ist ein solcher Versicherungsschutz jedoch sehr wichtig, denn Personenbetreuer verfügen meistens über keine Mittel um verursachte Schäden wieder gut zu machen. Außerdem sind sie für die betreuungsbedürftigen Personen in einem anderen EU-Land schwer erreichbar.
Verpflichtung der Personenbetreuer zur Teilnahme an Fortbildungs-kursen in der Pflege und Betreuung in einem Mitgliedsstaat der EU im Abstand von maximal 2 Jahren.
Erläuterung: Um die Qualität der laufenden 24-Stunden-Betreuung langfristig zu heben und gleichzeitig die Personenbetreuer durch eine Weiterbildung bei ihrer Tätigkeit mehr zu entlasten, sind verpflichtende Fortbildungskurse eine geeignete Maßnahme.
2. Organisation von Personenbetreuung
Ergänzungsvorschlag zu den Erläuterungen, besonderer Teil zu § 4: im Wortlaut zu § 2 Abs. (2)
Zu 3. die Leistungsinhalte, wobei darauf hinzuweisen ist, dass bei Notwendigkeit von pflegerischen und medizinischen Tätigkeiten eine Delegierungspflicht besteht und die Delegierungsbestimmungen einzuhalten sind.
Zu 6. die Fälligkeit und die Höhe des Werklohns, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Gewerbetreibende eine ordentliche Rechnung ausstellt und selbst sämtliche Steuern und Beiträge erklärt und abführt.
Zu 7. Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses, wobei vorzusehen ist, dass der Personenbetreuungsvertrag durch den Tod der betreuungsbedürftigen Person oder durch ein standeswidriges Verhalten des Gewerbetreibenden mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird …
Zu § 4 zusätzliche Punkte betreffend standeswidriges Verhalten:
Während der Ausübung der Personenbetreuung Alkohol, Suchtmittel oder konzentrationshemmende Medikamente einnehmen.
Die Intim- oder Privatsphäre der betreuten Person verletzen oder diese physisch oder psychisch angreifen.
Hausfremde Personen in das Heim der betreuten Person, ohne deren Einwilligung, einladen.
Die betreute Person, ohne für eine Vertretung zu sorgen, alleine und unversorgt zurück lassen.
- Abschnitt – Allgemeine Pflichten zu § 3 (1):
Streichung des letzten Satzes: „Insbesondere ist es ihnen untersagt, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistung entgegenzunehmen“.
Erläuterung: die Aussage dieses Satzes ist ungenau formuliert.Zu § 5 (2) 4.
Streichung des Nebensatzes: „… aufgegliedert nach den einzelnen Leistungsinhalten“
Erläuterung: Es sollte für die detailliert aufgelisteten Leistungen auch die Möglichkeit eines Pauschalpreises gegeben werden, z.B. kann man für die Unterstützung bei der Bereinigung von Konflikten zwischen Personenbetreuer und Betreuungsbedürftigen nur von einem Pauschalpreis ausgehen. Ansonsten müsste man einen Preis pro Gesprächsminute festlegen und im Konfliktfall jede gesprochene Minute notieren. Das wäre für die meisten Vermittler administrativ nicht bewältigbar.
Zu § 5 (2) 5. Unklar: „bezieht sich die anteilige Rückerstattung des im Voraus gezahlten Entgelts nur auf den Tod des Personenbetreuers?“
Zu § 7 (1) 1. die Bedarfserhebung sollte nur durch Pflegefachkräfte durchgeführt werden.
Erläuterung: Den Betreuungsbedarf können Personen anderer Berufe (Finanzberater, Versicherungsmakler, Fernfahrer usw.) nicht ordnungsgemäß beurteilen. Bei einer Bedarfserhebung muss u.a. berücksichtigt werden, ob im Rahmen der Personenbetreuung auch Pflegetätigkeiten durchgeführt werden müssen und die Notwendigkeit einer Delegierungspflicht besteht.
Zu § 7 (1) 2. die Prüfung der Eignung vorgesehener Personenbetreuer sollte nur mittels eines persönlichen Auswahlverfahrens durchgeführt werden.
Erläuterung: Aus der Praxis wissen wir, dass die meisten Prüfungen der Betreuungskräfte nur telefonisch bzw. durch das Ausfüllen von schriftlichen Aufnahmeformularen erfolgen. Die Vermittlung einer unbekannten Person lediglich nach einem geführten Telefongespräch ist keine ausreichende Regelung.
Zusätzlicher Paragraph: Verpflichtende Organisierung einer Qualitätssicherung mittels regelmäßige Hausbesuche durch Pflegefachkräfte
Erläuterungen zu § 9: Die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen dem Vermittler und der betreuungsbedürftigen Person über die Entrichtung des Entgeltes für Personenbetreuer im Wege des Vermittlers, sollte gänzlich gestrichen werden. Um die Selbstständigkeit eines Personenbetreuers nicht in Frage zu stellen, sind die Entgelte für die Personenbetreuung in jedem Fall von der betreuungsbedürftigen Person direkt an den Personenbetreuer zu bezahlen.
ZUSÄTZLICHE FRAGEN
Sind Vermittler aus einem EU-Staat außerhalb Österreichs verpflichtet das Gewerbe der „Organisation von Personenbetreuung“ in Österreich anzumelden um vermitteln zu können auch dann, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich in ihrem Firmensitz-Land ausüben?
Welcher Behörde können die WKO oder auch Vereine und Konsumenten jene Vermittlungsagenturen melden, welche die Standes- und Ausübungsregeln offensichtlich nicht einhalten?
Welche Konsequenzen sind bei einem nachweißbaren Vergehen gegen diese Verordnungen zu erwarten?
Wäre es nicht sinnvoll innerhalb der WKO eine Prüfungskommission zu etablieren, welche die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen überprüft.
Zur einfachen Schreibweise wurde nur eine Geschlechterform verwendet, es sind aber immer beide Geschlechter angesprochen.
Verein ChronischKrank® Österreich
Obmann Mag. Jürgen Ephraim Holzinger
Unsere Stellungnahme zum Download: Stellungnahme zum Entwurf