Stellungnahme zum Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Erwachsenenvertretungsrecht und das Kuratorenrecht im Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden und das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz, das Namensänderungsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretungsgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbringungsgesetz geändert werden – 2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG
Der Verein ChronischKrank Österreich begrüßt den vorliegenden Ministerialentwurf. Das neue Institut der Erwachsenenvertretung stellt in seiner Begrifflichkeit – der Begriff Sachwalterschaft war und ist nach wie vor in der Bevölkerung erklärungsbedürftig – und in seiner Ausgestaltung eine erhebliche Verbesserung zur Sachwalterschaft dar. Es wird ausdrücklich als positiv bewertet, dass mit der Erwachsenenvertretung keine automatische Beschränkung der Geschäftsfähigkeit verbunden ist. Dies entspricht nicht nur den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch dem Wunsch vieler chronisch kranker Menschen, die im Alltag schon allein aufgrund ihrer Erkrankung vielen diskriminierenden Situationen ausgesetzt sind.
Weiter wird positiv bewertet, dass das Institut des Clearings ausgebaut wird und insgesamt den Erwachsenenschutzvereinen mehr Aufgaben übertragen werden. Ausdrücklich hervorgehoben wird die neu geschaffene Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht bei einem der Vereine errichten und registrieren zu lassen. Damit wird auch für Personen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, eine Vorsorgevollmacht leistbar. Diese positiven Neuerungen werden aber nur dann funktionieren, wenn die Erwachsenenschutzvereine mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Das Bundesministerium für Justiz und der Gesetzgeber werden ausdrücklich ersucht, dies sicherzustellen. Sollten die Vereine nicht über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen, besteht die Gefahr, dass die gegenständliche Novelle eine Verschlechterung zur derzeitigen Rechtslage darstellt, da dann der notwendige Rechtschutz nicht mehr gewährleistet werden kann.
Diese beabsichtigten §§ 245 Abs. 1, 263, 267 Abs. 2 ABGB bergen unseres Erachtens zu viel Rechtsunsicherheit. Gemäß § 245 Abs. 1 ABGB wird eine Vorsorgevollmacht wirksam, wenn und soweit ihr Wirksamwerden im ÖZV eingetragen ist. Gemäß § 263 ABGB soll eine Vorsorgevollmacht aber im Widerspruch dazu erst dann wirksam werden, wenn der Vollmachtgeber die erforderliche Entscheidungsfähigkeit verliert. Gemäß § 267 Abs. 2 ABGB soll ein ärztliches Zeugnis für die Eintragung des gewählten Erwachsenenvertreters in das ÖZVV vorgelegt werden, wenn Zweifel am Vorliegen der (eingeschränkten) Entscheidungsfähigkeit der volljährigen Person vorliegen.
Es stellt sich somit die Frage, wann nun die Vorsorgevollmacht wirksam wird und ob deren Rechtmäßigkeit zwingend bescheinigt werden muss. Es wäre wohl eine zu große Rechtsunsicherheit für den Betroffenen, wenn eine Vorsorgevollmacht mit der Eintragung im ÖZVV wirksam wird, bzw. im Widerspruch dazu wenn die erforderliche Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person verloren geht und dies nicht einmal zwingend bescheinigt werden muss. Es wäre somit erforderlich, die zwingende Vorlage der Voraussetzungen für die Eintragung zu verlangen und erst wenn dies der Fall ist, soll eine Vorsorgevollmacht eingetragen werden dürfen und somit mit der Eintragung wirksam werden.
Es soll unseres Erachtens das Recht eines Widerspruchs oder Widerrufs gemäß § 246 ABGB nicht nur dem Vertreter zukommen, sondern auch der betreffenden Person. Ansonsten könnte die vertretene Person – sofern sie über ausreichende Einsichtsfähigkeit verfügt, niemals eine Interessenskollision aufzeigen, selbst wenn Nachteile dadurch zu befürchten hat. Für den Fall dass der Vertretene über keine Einsichtsfähigkeit verfügt, muss dieses Recht zwingend auch nahen Angehörigen zukommen.
Entsprechend § 250 Abs. 2 ABGB, soll gelten, dass für den Fall dass die vertretene Person zu erkennen gibt, dass sie die vom Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter geplante Vertretungshandlung ablehnt, diese bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit zu unterbleiben hat, es sei denn, das Wohl der vertretenen Person wäre sonst gefährdet.
An dieser Stelle wäre unseres Erachtens zu ergänzen, dass dies freilich nur dann gelten kann, wenn die vertretene Person über ausreichende Entscheidungsfähigkeit verfügt.
Der Ministerialentwurf sieht als einer der Voraussetzungen für die gewählte und für die gerichtliche Erwachsenenvertretung vor, dass die volljährige Person eine psychische Krankheit oder eine vergleichbare Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit aufweist. So sehr es zu begrüßen ist, dass der Begriff der „geistigen Behinderung“ nicht mehr im Gesetz aufscheint, so sehr besteht auch die Befürchtung, dass die gewählte Formulierung missverstanden und zu einer
Ausweitung des betroffenen Personenkreises führen kann. Es wird daher um eine entsprechende Klarstellung ersucht.
Äußerst kritisch werden die Neuerungen im Bereich der Entschädigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters gesehen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Entschädigung des Vertreters, wenn das Vermögen 15.000 € mit 2% des Mehrbetrages „gecappt“ wird. Es ist doch nachvollziehbar, dass desto größer das Vermögen umso höher die Verantwortung und der Aufwand des Vertreters. Es sollte somit die Grenze von 15.000 € auf mindestens 100.000 € aufgehoben wird, damit die Bestimmung auch sachlich gerechtfertigt ist.
Bedenkt man, dass den betroffenen Personen durch krankheitsbedingte Mehraufwendungen und ein in der Regel geringes Einkommen nur wenig Geld verbleibt, stellt die zusätzliche Verrechnung der Umsatzsteuer durch Rechtsanwälte oder Notare eine erhebliche Mehrbelastung dar. Darüber hinaus wird im Vergleich zu Personen, die durch andere Erwachsenenvertreter vertreten werden, eine Ungleichbehandlung geschaffen. Der Entfall der Härteklausel des § 276 Abs 4 ABGB wird ausdrücklich abgelehnt. Zwar soll die neue Regelung ermöglichen, dass bei Gefährdung der Lebensbedürfnisse der vertretenden Person der Erwachsenenvertreter die Erfüllung der zuerkannten Entschädigung nicht fordern darf. Dies kann aber in der Praxis zu unerwünschten Ansparbemühungen des Erwachsenenvertreters zu Lasten der Bedürfnisse der vertretenen Person führen, damit dieser seine Entschädigung zu einem späteren Zeitpunkt fällig stellen kann.
Im Bereich der medizinischen Behandlung wird die Schaffung eines unabhängigen Rechtsbeistandes für den Fall, dass die nichtentscheidungsfähige Person eine Behandlung ablehnt, äußerst positiv bewertet. Es wäre sinnvoll, dieses Institut auch für jene Fälle vorzusehen, in denen sich der Patient gar nicht mehr äußert.
Durch den § 253 ABGB soll nun die Einholung einer zweiten Meinung nicht mehr erforderlich sein. Das ist unserer Meinung nach problematisch, weil ein Patient der aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht über die erforderliche Entscheidungsfähigkeit verfügt, einer einzigen Meinung ausgeliefert ist. Es sollte somit zwingend die Einholung einer zweiten Meinung nach wie vor veranlasst werden wobei immer davon auszugehen ist, dass der Patient zu behandeln ist.
Durch den § 256 ABGB ist zu befürchten, dass Personen die sich nicht „wehren“ können, ungewollt für Experimente herangezogen werden. Die Formulierung wäre somit zwingen zu ergänzen, indem sie lauten soll wie folgt: „… dass die Forschung mit großer Wahrscheinlichkeit für deren
Gesundheit und Wohlbefinden von unmittelbarem Nutzen sein wird.“
Im Bereich der Vermögensvorsorge sollte sichergestellt sein, dass die vertretenen Personen, sofern nicht ein entsprechender Genehmigungsvorbehalt besteht, jedenfalls auch selbst über ihre Kontoguthaben und ihr sonstiges Vermögen verfügen können. Selbst bei einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung mit einem für finanzielle Angelegenheiten bestehenden Genehmigungsvorbehalt sollte das Recht der vertretenen Person vorgesehen sein, nicht nur vom Vertreter, sondern auch direkt von der kontoführenden Bank eine Auskunft über das Konto bzw. seine Vermögenswerte zu erhalten. Dies würde auch die Gerichte entlasten, die sich dann nicht mehr mit Beschwerden von betroffenen Personen über die mangelhafte Auskunft der Vertreter auseinandersetzen müssten.
Zusammengefasst wird der vorliegende Entwurf sehr positiv bewertet. Es wird um Berücksichtigung der Anmerkungen ersucht.
Mit herzlichen Grüßen
Mag. Jürgen E. Holzinger, September 2016
Obmann, Bereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit,
Gesamtleiter der Ressorts
Zum Download:
stellungnahme-verein-chronisch-krank-erwachsenenvertretungsrecht-bmj-z4-9730059-i-12016