Gleichheitswidriger Gesetzesentwurf in Niederösterreich

September 2013
Artikel 13, Absatz 3 der 15a Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine bedarfsorientierte Mindestsicherung aus dem Jahr 2010 Ziffer 2 besagt, dass die Einkünfte aus dem Familienlastenausgleichsfond bei der Berechnung der Mindestsicherung n i c h t berücksichtigt werden dürfen.
In der Verordnung über den Einsatz der Eigenmittel von 2012, § 2, Absatz 4 werden die Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz als anrechenfreies Einkommen definiert.
Niederösterreich zählte schon bislang zu jenen Bundesländern, die in ihren Verwaltungsverfahren auf Basis des § 2 Abs. 1 Z 4 der NÖ Eigenmittelverordnung, LGBl. 9200/2-3, durch Anrechnung des Grundbetrages der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages die geltende Art.15aB-VG-Vereinbarung umgehen.
Der vorliegende NÖ-Gesetzesentwurf zielt jetzt offenkundig darauf ab, diese Praxis in veränderter Form gesetzlich abzusichern, indem für volljährige Menschen mit Behinderung mit Anspruch auf Familienbeihilfe ein gegenüber nicht behinderten volljährigen Personen um zumindest 25% gekürzter Mindeststandard (Richtsatz) zur Anwendung gelangen soll.
 Zu § 11 Abs.1a des Entwurfs einer Änderung des NÖ MSG in Verbindung mit § 1 Abs.1 Z.1 lit.b, § 1 Abs.1 Z.2 lit.b, § 1 Abs.2 Z.1 lit.b, § 1 Abs.2 Z.2 lit.b des Entwurfs einer Änderung der NÖ MSV
Die oben angeführten Regelungen des Entwurfes bewirken im Ergebnis, dass ein um 25% niedriger Mindeststandard für alleinstehende/alleinerziehende Menschen mit Behinderung festgelegt wird, wenn ein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe besteht.
Betroffen von dieser Regelung sind volljährige Menschen mit Behinderung, die gemäß dem geltenden Familienlastenausgleichsgesetz 1967, idF BGBl. I 111/2010, „wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres (bis inklusive Juni 2011: des 27. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung“ Anspruch auf den
Grundbetrag sowie den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe haben, weil sie „voraussichtlich außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden“.
Wählt man den Weg, der im Begutachtungsentwurf vorgezeichnet wird und sieht einen um 25% verminderten Mindeststandard für volljährige alleinstehende oder alleinerziehende Personen bzw. einen um 50% verminderten Standard für Menschen mit Behinderung in Wohngemeinschaften nur deshalb vor, weil diese (erhöhte) Familienbeihilfe beziehen, so ist evident, dass eine Überprüfung, ob der notwendige Lebensunterhaltes und der Wohnbedarfes zur Gänze bedeckt ist, bei Vollzug des NÖ MSG nicht möglich.
Die gegenüber Nicht-Behinderten MindestsicherungsbezieherInnen erfolgte absolute Kürzung der zu erwartenden Leistungen aus der NÖ Mindestsicherung zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfes verkennt den Umstand, dass der Bundesgesetzgeber die Familienbeihilfe ausbezahlt, um einen einkommens- und vermögensunabhängigen Beitrag zu behinderungsbedingt notwendige Aufwendungen Erwerbsunfähiger zu leisten.
Zwischen Armut und Behinderung gibt es direkte Zusammenhänge. Chronisch kranke Menschen mit Behinderung brauchen daher einen bedarfsdeckenden Ausgleich für behinderungsbedingte Nachteile. Nur dadurch können Barrieren auf allen Ebenen und in allen Lebensbereichen abgebaut werden und gleichzeitig eine Benachteiligung an der Teilhabe am sozialen Leben vermieden werden. Ohne entsprechende Unterstützung kann ein gleichberechtigter Zugang und eine soziale Integration nicht gewährleistet werden.
Aus unserer Sicht sind die im Entwurf geplanten pauschalen Verringerungen der Mindeststandards wegen des Bezuges der Familienbeihilfe gleichheitswidrig. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, warum chronisch kranke Menschen mit Behinderung gegenüber sonstigen Personen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung durch einen verminderten Mindeststandard vorweg finanziell schlechter gestellt werden, ist für UNS im Sinne der sozialen Gleichstellung nicht zu akzeptieren.
Wir fordern die Niederösterreichische Landesregierung auf, diesen aus unserer Sicht gleichheitswidrigen Gesetzesentwurf zu verwerfen und die derzeitige Handhabung zu korrigieren.
 
23.01.2014:
Niederösterreich wird nun aufgrund massiver Interventionen der Volksanwaltschaft, Interessensvertretungen und unseres Vereins die Familienbeihilfe NICHT mehr als Einkommen anrechnen.
Siehe dazu Punkt 15 : http://www.landtag-noe.at/service/politik/landtag/LVXVIII/00/96/096-3G2.pdf  .
Jedoch stellt sich weiter die Frage, wie mit den anhängigen Verfahren umgegangen wird. Dies werden wir genau beobachten und unsere betroffenen Mitglieder unterstützen.
Wir freuen uns für die betroffenen Niederösterreicher und Niederösterreicherinnen!
Für den Vorstand,
Mit herzlichen Grüßen
Jürgen Ephraim Holzinger
Verein ChronischKrank®

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